Ausgewählte Neueingänge:

Paul Altheer: Die rote Redoute

 Ein Fundstück aus der Frühzeit des fiktiven Schweizer Kriminalromans. Bevor Paul Altheer 1926 seinen Roman «Die 13 Katastrophen» publizierte (Neuausgabe: Chronos Verlag), lässt er seinen Detektiv Bob Stoll in der Kurzgeschichte «Die rote Redoute» zum ersten Mal auftreten. Sie zeigt in Ansätzen, was aus dem Ermittler in Zukunft wird. Die Geschichte erschien 1925 als Fortsetzungstext in den ersten drei Ausgaben der «Zürcher Illustrierten».


Noëlle Roger: Le Chercheur d’Ondes (1931)
 Noëlle Roger ist das Pseudonym der Genfer Autorin Hélène Dufour-Pittard (1874-1953), die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter anderem einige negative Utopien schrieb (heute würde man sagen: Dystopien). Die Geschichte «Der unsichtbare Gefährte» ist auch auf Deutsch erschienen (mit bestem Dank an Mirko Schädel:  ). «Le livre qui fait mourir» (1927) und «Le Chercheur d’Ondes» (1931) haben darüber hinaus mit kriminellen Taten zu tun. Letzteres habe ich nun gelesen.

Information zum Buch:
Der Schriftsteller Jean Lanouze steht als Zeuge in einem Mordfall in Paris vor Gericht. Sein Bekannter Bourlat hat einen Kritiker getötet, der Lanouze ein Plagiat vorwirft. Der Mörder, der den Revolver von Lanouze bei sich hatte, kann sich an nichts erinnern. Bourlat wird gnädigerweise nur zu zehn Jahren Haft (und nicht zum Tode) verurteilt, kommt aber nach einer Begnadigung nach vier Jahren frei. Allerdings ist sein Leben zerstört.
Lanouze trifft inzwischen seine Jugendbekannte Claudie und ihren Mann Gérard Daurelle und verliebt sich erneut in die Frau. «Elle avait une façon de se taire qui permettait aux paroles de prolonger leurs résonances intérieures.” Gérard erkrankt an einer schweren Depression, und Lanouze kümmert sich um Claudie. Als sich Gérard erhängt, wendet sich Claudie auch von Lanouze ab.
Dann taucht plötzlich Zambru, ein ehemaliger Schulkollege, auf. Er behauptet, einen Apparat entwickelt zu haben, der Gedanken lesen und sie verstärkt zurücksenden könne. Er probiert ihn an Lanouze aus. Eine geheimnisvolle Substanz namens «Sodium» wirkt als Verstärkerelement.
Bald jedoch wird Zambru wegen eines Zwischenfalls verhaftet, und der Apparat gerät in die Hände des Ingenieurs Raoul Perrière, der ihn nach Genf mitnimmt, um dort die Abrüstungsversammlung im Völkerbundpalast negativ zu beeinflussen. Ganz klar: Er will die Weltherrschaft. Und leider sind die guten Gedanken schwieriger aufzunehmen als die schlechten. Im letzten Moment erscheint der Geist von Zambru im Genfer Hotelzimmer, und Perrière zerstört das Gerät.
Lanouze will als Zambrus Chronist die ganze Geschichte aufschreiben, als ihn Bourlat stört, der in Lanouze den Verantwortlichen für seinen Mord sieht und sich rächen will. Lanouze ruft mit konzentrierten Gedanken Zambru zu Hilfe und kann Bourlat beruhigen.
Als Lanouze seinen Bericht zu Ende geschrieben hat, sucht er Zambru auf, der jedoch bereits in den Himalaya abgereist ist. Der gemeinsame Bekannte Chavorin hat den Auftrag, die Apparate zu vernichten, falls Zambru nicht zurückkehrt.
Im letzten Satz taucht Claudie an der Schwelle zu Lanouzes Wohnung auf.


Emmy Moor

Emmy Moor war bekannt für ihre Sozialreportagen, insbesondere als Gerichtsberichterstatterin. „Der Gerichtssaal spricht“ (1944) ist „eine Chronik aus der Wirklichkeit. … Ihr ‚Held‘ ist ein sehr anfechtbarer Held. Es ist der Kriminelle.“ Die Autorin schaut hinter die Kulissen der verhandelten Fälle. Sie beschäftigt sich mit dem Menschen, dessen Leben eine unrühmliche Wendung genommen hat. Immer wieder spürt man die Sympathie für die vom Schicksal Gebeutelten. Moor spricht von schwieriger Jugend (Verdingkindern), von Vernachlässigung, Ungerechtigkeit und Not als Antrieb für ein Verbrechen. „Unsere moralische Entrüstung hat nur das eine Häkchen, dass die sogenannten Opfer dieser Leute, die Viehhändler und Krämer aus der anständigen Oberwelt, die hier in die Hände dieser räuberischen Zuhälter, Erpresser und käuflichen Mädchen gefallen sind, zu den braven Leuten gehören, die sich das Laster nach Bedarf kaufen können, ohne an ihrer moralischen und sonstigen Reputation etwas einzubüssen. Hier haben sie nur das eine Pech gehabt, ihre dicken Brieftaschen in den Händen amoralischer Zuhälter zu verlieren.“
Ein Einblick in die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. 


Leo Lapaire

In Leo Lapaires Krimi „Narren am Werk“ (1940) versammeln sich in der Rue Blondel 7 in Paris eine Anzahl von Menschen, deren Leben sich in stets verdächtigerer Art und Weise ineinander verzahnen. Nicht genug, dass im Haus eine junge Frau erschossen worden ist, ohne dass ein Täter gefasst werden kann. Nun scheint sich weiteres Unheil zusammenzubrauen, ein Verbrechen wird geplant, dem die Polizei nicht auf die Schliche kommt, auch nicht mit der Mysterienbrigade, die zum Einsatz gelangt, wenn Okkultismus im Spiel sein könnte. So ergibt sich eine interessante Konstellation, die einen bedeutenden Teil der Handlung in der Schwebe hält.




Claude Roland

In „La balustrade“ (1973) von Claude Roland befragt in der Rahmenhandlung der Richter Fournier einen Pierre Voirol, der erst schweigt, am Ende aber umso beredsamer wird. Die eigentliche Geschichte beginnt mit einem Flugzeugabsturz im „Congo belge“. Fabienne Lecrest, „épouse Voirol“, erhält ein Telegramm, das den Tod von Herrn und Frau Voirol ankündigt. „Comment m’annoncer que je suis en même temps veuve et cocue?” In einem nach seinem Tod zu öffnenden Brief bekennt sich ihr Mann zum Mord an Fabiennes früherem Geliebten Gérard Monier, der bei einem Autorennen verstorben ist. Ein zweites Telegramm erklärt, die Eheleute Voirol seien wohlauf. Bald kommt Pierre Voirol mit seiner angeblichen Sekretärin Brigitte Duval nach Hause, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als Fabienne die beiden in flagranti im Ehebett erwischt. Seltsamerweise ist im mit inneren Monologen gespickten Text nie mehr vom Flugzeugabsturz die Rede. Hingegen stürzt Fabienne von der Balustrade in ihrem Haus zu Tode. Das Drama endet damit, dass Pierre Voirol nicht für den Mord verurteilt wird, den er begangen hat, sondern für den Todessturz, für den er keine Verantwortung trägt.


Edition Mordstage

Die Edition Mordstage hat sich zum Ziel gesetzt, bemerkenswerte Schweizer Kriminalromane neu aufzulegen. Auswahlkriterien sind die gattungsspezifische, literarische und/oder historische Bedeutung eines Textes.

Die Originaltexte werden durch ein literaturhistorisches Nachwort und durch biographische Texte sowie zugehörige Fotos ergänzt.

Die Edition Mordstage wird betreut von Paul Ott und Kurt Stadelmann.

Die bisher sind in der Reihe „Schweizer Texte“ und in der „Edition Mordstage“ erschienen Krimis sehen Sie unter folgendem Link:

http://paul-lascaux.ch/krimi/edition-mordstage